BLOG 44: Das Schweigen über psychische Erkrankungen in Familien

Veröffentlicht am 17. September 2025 um 09:07

Ein unsichtbares Erbe

Psychische Erkrankungen sind längst keine Randthemen mehr. Depressionen, Angststörungen oder Traumata betreffen Millionen Menschen. Und doch wird in vielen Familien darüber geschwiegen. Statt offener Gespräche herrscht Schweigen, Verdrängung oder gar Schuldzuweisung. Dieses Schweigen kann Generationen prägen – und macht das Leiden oft noch größer.

Warum schweigen Familien?

  • Scham und Tabu: Psychische Erkrankungen werden trotz Aufklärung noch immer als „Schwäche“ oder „Charakterfehler“ gesehen.
  • Überforderung: Angehörige wissen oft nicht, wie sie damit umgehen sollen, und ziehen sich zurück.
  • Funktionieren um jeden Preis: Viele Familien wollen nach außen hin das Bild der „intakten“ Einheit wahren.
  • Generationenmuster: Ältere Generationen sind mit dem Motto „Reiß dich zusammen!“ groß geworden – ein Narrativ, das sich bis heute hält.

Die Perspektive der Betroffenen

Für Menschen mit psychischen Erkrankungen ist das Schweigen besonders schmerzhaft.

  • Sie fühlen sich unsichtbar und nicht ernst genommen.
  • Manche entwickeln Schuldgefühle: „Ich belaste meine Familie.“
  • Das Schweigen verhindert oft, dass rechtzeitig Hilfe in Anspruch genommen wird.

Die Perspektive der Angehörigen

Auch Angehörige tragen eine große Last:

  • Sie möchten helfen, wissen aber oft nicht wie.
  • Manche leugnen die Erkrankung aus Angst, selbst hineingezogen zu werden.
  • Viele fühlen sich überfordert und allein, weil sie kein Ventil haben, über ihre eigenen Gefühle zu sprechen.

Gesellschaftlicher Blick

Gesellschaftlich gesehen bleibt das Schweigen über psychische Erkrankungen ein Spiegel unseres Umgangs mit „Normalität“:

  • Körperliche Krankheiten sind anerkannt und sichtbar, psychische Erkrankungen dagegen unsichtbar.
  • Noch immer gibt es Diskriminierung, zum Beispiel im Beruf oder in der Schule, wenn bekannt wird, dass jemand psychisch krank ist.
  • Der Druck, zu funktionieren, verstärkt das Schweigen – sowohl in Familien als auch in der Gesellschaft.

Wege zu mehr Offenheit

  • Sprache finden: Schon einfache Worte wie „Ich sehe, dass es dir nicht gut geht“ können eine Tür öffnen.
  • Räume schaffen: Familien können bewusst Gesprächsrunden einführen, in denen Gefühle ausgesprochen werden dürfen.
  • Externe Hilfe nutzen: Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder Therapieangebote können Familien entlasten.
  • Gesellschaftliche Normalisierung: Medien und Bildungseinrichtungen müssen psychische Erkrankungen sichtbarer machen – ohne Stigmatisierung.

Fazit:

Das Schweigen über psychische Erkrankungen in Familien ist oft ein Schutzmechanismus – doch es schützt niemanden. Im Gegenteil: es verschärft Leid, Isolation und Missverständnisse. Mut zu Gesprächen, Empathie und professionelle Unterstützung können die Spirale durchbrechen.

Denn eines ist klar: Psychische Erkrankungen sind kein persönliches Versagen – sondern ein Teil der menschlichen Realität. Und je offener wir darüber sprechen, desto weniger Macht hat das Schweigen.

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