BLOG 24: Suizid in der Familie

Veröffentlicht am 1. Mai 2025 um 07:37

Wenn das Unaussprechliche Wirklichkeit wird

Ein Mensch nimmt sich das Leben – und plötzlich ist nichts mehr, wie es war. Zur Trauer kommen Fragen, Schuldgefühle, Sprachlosigkeit. Angehörige fühlen sich oft allein gelassen, nicht nur mit ihrem Schmerz, sondern auch mit dem Schweigen der Gesellschaft. Suizid ist eines der letzten großen Tabus – und gerade deshalb ist es so wichtig, darüber zu sprechen.

Warum wird Suizid so stark tabuisiert?

  1. Der Schmerz, für den es keine Worte gibt

Ein Todesfall durch Suizid stellt alles infrage. Es ist ein Abschied ohne Erklärung, ohne Möglichkeit der Verabschiedung – oft begleitet von der quälenden Frage: Hätten wir es verhindern können? Diese Ohnmacht macht es schwer, offen zu sprechen. Angehörige kämpfen nicht nur mit der Trauer, sondern mit einem tiefen Gefühl von Versagen.

  1. Die Angst vor gesellschaftlichem Urteil

Noch immer haftet Suizid ein Stigma an – als wäre es ein Zeichen von Schwäche, als hätten Betroffene "aufgegeben". In manchen Kreisen wird darüber getuschelt, in anderen geschwiegen. Viele Hinterbliebene vermeiden es, die Todesursache zu nennen – aus Angst vor Mitleid, Unverständnis oder gar Ablehnung.

  1. Der religiöse und kulturelle Kontext

In vielen Religionen gilt Suizid als Sünde. Auch kulturell wird er oft als "falscher" Tod gesehen. Das verstärkt die Tabuisierung zusätzlich – und nimmt Betroffenen die Möglichkeit, offen zu trauern.

Wie können Hinterbliebene besser unterstützt werden?

  1. Raum für offene Trauer schaffen

Es braucht sichere, urteilsfreie Räume – in der Familie, im Freundeskreis, aber auch in der Öffentlichkeit. Hinterbliebene dürfen nicht gezwungen werden zu schweigen. Trauergruppen, speziell für Suizidhinterbliebene, können ein geschützter Rahmen sein, um zu verstehen: Ich bin nicht allein.

  1. Schuldgefühle ernst nehmen – aber nicht nähren

Angehörige fragen sich oft: Was habe ich übersehen? Was hätte ich tun können? Solche Gedanken sind verständlich, aber selten rational. Professionelle Trauerbegleitung kann helfen, diese Gefühle einzuordnen und zu verarbeiten – ohne sie zu verdrängen oder zu bewerten.

  1. Aufklärung und enttabuisierende Kommunikation

Je mehr wir über psychische Krisen, Depressionen und Suizidalität sprechen, desto eher werden Warnzeichen erkannt. Suizidprävention beginnt mit Entstigmatisierung – in Schulen, Medien, am Arbeitsplatz. Auch prominente Stimmen, die offen über eigene Krisen sprechen, tragen dazu bei, das Schweigen zu brechen.

Suizid ist kein Zeichen von Schwäche – sondern von tiefer Verzweiflung

Ein Mensch, der sich das Leben nimmt, wollte oft nicht sterben – sondern nur den Schmerz beenden. Diese Perspektive hilft, Mitgefühl zu entwickeln statt Schuld. Und sie öffnet den Weg für eine neue Kultur des Hinschauens und Zuhörens.

Was wir als Gesellschaft tun können

  • Reden statt Schweigen: In Gesprächen über Tod, Trauer und psychische Gesundheit muss Suizid seinen Platz finden.
  • Hilfe niedrigschwellig machen: Mehr psychologische Unterstützung, schnellerer Zugang zu Therapieplätzen, suizidpräventive Bildungsangebote.
  • Angehörige stärken: Staatlich geförderte Beratungsangebote, finanzielle Hilfen und spezialisierte Trauerbegleitung.

Fazit: Ein stilles Ende darf nicht auch ein stilles Danach haben.

Wir schulden es den Hinterbliebenen, sie nicht mit ihrem Schmerz allein zu lassen. Und wir schulden es allen Betroffenen, ihnen zu zeigen: Es gibt Hilfe. Es gibt Hoffnung. Und es ist in Ordnung, zu reden.

Lass uns den Raum öffnen – für Mitgefühl, für Verständnis und für eine Sprache des Trostes.

Wenn du selbst oder jemand in deinem Umfeld in einer seelischen Notlage ist, findest du Hilfe z. B. bei der Telefonseelsorge Österreich unter 142 – anonym, kostenlos und rund um die Uhr.

Frage an dich:
Wie gehst du mit Themen wie Tod, Depression oder Suizid um? Was braucht es deiner Meinung nach, damit Betroffene und Angehörige offen sprechen können?

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