BLOG 34: Alkoholsucht und ihre weitreichenden Auswirkungen

Veröffentlicht am 9. Juli 2025 um 06:40

Im Schatten der Flasche

„Ein Glas zum Entspannen, ein zweites zur Belohnung, und irgendwann ist es ein täglicher Begleiter.“
Alkoholsucht beginnt oft schleichend. Was harmlos wirkt, wird zur Gewohnheit – und schließlich zur Falle. Dabei ist es nicht nur der Körper, der leidet. Die Auswirkungen betreffen alle Lebensbereiche: Gesundheit, Beziehungen, Arbeit, Psyche – und oft auch das Selbstbild.

Trotz Aufklärung bleibt Alkoholsucht ein gesellschaftliches Tabuthema. Zu groß ist die Scham, zu tief sitzt das Stigma.

Warum bleibt Alkoholsucht oft lange unerkannt – oder wird verharmlost?

In vielen Kulturen – besonders auch im deutschsprachigen Raum – ist Alkohol sozial akzeptiert, ja fast allgegenwärtig.
Geburtstage, Feste, Geschäftstermine: Alkohol gehört dazu. Wer nicht trinkt, muss sich häufig rechtfertigen. Wer regelmäßig trinkt, wird nicht hinterfragt.

Die Folge: Alkoholmissbrauch wird oft erst dann ernst genommen, wenn es „zu spät“ ist – wenn Familie zerbricht, der Job verloren geht oder die Leber versagt.

„Ich hab doch nur abends zwei Bier getrunken – das macht doch jeder.“
Ein Satz, der häufig fällt – und ein Warnzeichen sein kann.

Die schleichende Zerstörung: Auswirkungen auf Körper und Geist

  1. Gesundheitliche Folgen:
  • Leber: Fettleber, Leberzirrhose, Leberversagen
  • Herz-Kreislauf-System: Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, erhöhtes Schlaganfallrisiko
  • Gehirn: Konzentrationsstörungen, Gedächtnisverlust, Demenzrisiko
  • Immunsystem: geschwächte Abwehr, erhöhte Infektanfälligkeit
  • Krebsrisiko: insbesondere Mund-, Rachen-, Speiseröhren-, Leber- und Brustkrebs
  1. Psychische Auswirkungen:
  • Depressionen, Angstzustände
  • emotionale Abgestumpftheit
  • Schlafstörungen
  • erhöhter Suizidgedanke bei chronischer Abhängigkeit
  1. Soziale Folgen:
  • Isolation von Freunden und Familie
  • Partnerschaftskonflikte bis hin zu Trennungen
  • Gewalt in der Familie (häufig durch oder gegen Abhängige)
  • Verlust von Vertrauen – in sich selbst und in andere
  1. Berufliche Auswirkungen:
  • Leistungseinbußen, Konzentrationsprobleme
  • Fehltage, Krankschreibungen
  • Kündigungen oder Frühverrentung
  • Schamgefühle, Doppelleben

Die Co-Abhängigen: Wenn das Umfeld mit leidet

Nicht nur der oder die Betroffene ist von der Sucht betroffen. Familie, Partner, Kollegen und Freunde tragen oft eine stille Mitverantwortung – oder fühlen sich zumindest so.

Co-Abhängigkeit ist ein oft übersehener Begriff: Menschen im Umfeld versuchen, die Sucht zu verbergen, zu kompensieren, zu entschuldigen – und verstricken sich dadurch selbst in das System der Abhängigkeit.

„Ich hab die Bierflaschen versteckt, damit es nicht so auffällt.“
„Ich hab ihn krankgemeldet, obwohl er betrunken war.“

Warum fällt es so schwer, sich Hilfe zu holen?

  • Scham und Schuldgefühle: „Ich habe versagt.“
  • Stigmatisierung: „Ich will nicht als Alkoholiker gelten.“
  • Verharmlosung: „Ich habe alles im Griff.“
  • Angst vor Kontrollverlust: „Was, wenn ich wirklich aufhören muss?“
  • Sozialer Druck: „Was denken die anderen?“

Besonders tückisch ist, dass Alkohol leicht verfügbar ist und gesellschaftlich nicht geächtet – im Gegensatz zu vielen anderen Drogen.

Der Weg raus: Hilfe gibt es – aber sie braucht Mut

  1. Selbsterkenntnis
    Der erste Schritt ist meist der schwerste: das Eingeständnis, dass ein Problem besteht. Ohne diese Einsicht bleibt jede Hilfe wirkungslos.
  2. Medizinische und therapeutische Unterstützung
  • Entgiftung (stationär oder ambulant)
  • Entwöhnungsbehandlung (z. B. stationäre Reha)
  • Psychotherapie (Einzel- oder Gruppensetting)
  • Medikamente zur Unterstützung des Entzugs oder zur Rückfallprävention
  1. Selbsthilfegruppen
    Organisationen wie die Anonymen Alkoholiker, Al-Anon (für Angehörige) oder Selbsthilfezentren bieten Austausch und Halt – anonym, kostenlos und bundesweit.
  2. Unterstützung durch Angehörige
    Hilfe kann nur ankommen, wenn sie auf Vertrauen und Geduld trifft – nicht auf Vorwürfe oder Ultimaten.

Eine Frage der Haltung: Sucht ist keine Charakterschwäche

Alkoholsucht ist eine chronische Krankheit, keine moralische Verfehlung. Wer trinkt, ist kein schlechter Mensch. Aber wer schweigt, bleibt in der Spirale gefangen.

Ein offener Umgang – im privaten wie im gesellschaftlichen Rahmen – kann Leben retten.

Was wir tun können – als Gesellschaft, als Freunde, als Angehörige

  • Nicht weglächeln oder beschwichtigen
  • Hilfe anbieten, aber nicht aufzwingen
  • Aufklären – in Schulen, Betrieben, Medien
  • Unterstützungsangebote stärken und entstigmatisieren
  • Betroffenen Mut machen, ihre Geschichte zu erzählen

Fazit: Die Wahrheit hinter der Maske erkennen

Alkoholsucht ist oft gut versteckt – hinter Witzen, Höflichkeit, Alltag. Doch sie zerstört still. Wer betroffen ist, braucht mehr als gute Ratschläge: Er braucht ein Netzwerk, das auffängt. Und eine Gesellschaft, die hinsieht.

Zum Weiterdenken:
Kennst du jemanden, der betroffen ist? Oder merkst du bei dir selbst Warnzeichen? Dann sprich darüber – mit einem Freund, einem Arzt oder in einer Beratungsstelle.

Hilfe beginnt mit einem Satz: „Ich glaube, ich habe ein Problem.“

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